Brunsbüttel: Regierung will mit Atomgesetz-Änderung Klagerechte einschränken
Atommüll-Zwischenlager: Bundesregierung will Rechtsschutz aushebeln, um ein zweites Brunsbüttel zu verhindern. BUND und .ausgestrahlt fordern Streichung geplanter Atomgesetz-Änderung.
Geht es nach der Bundesregierung, soll es künftig nicht mehr möglich sein, dass Anwohner*innen und Umweltverbände wegen begründeter Sicherheitsbedenken und Terrorgefahren gegen den Betrieb von Atomanlagen oder gegen Atommüll-Transporte klagen und von Gerichten bestätigt werden. Eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes soll in Kürze vom Bundestag beschlossen werden. Am morgigen Mittwoch, den 5. Mai, berät der Umweltausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Anhörung mit Expert*innen über den bereits vom Kabinett verabschiedeten Gesetzesentwurf.
Die Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland Landesverband Schleswig-Holstein (BUND) fordern die ersatzlose Streichung der 17. Atomgesetz-Novelle.
Wie wichtig die Rechtsprechung sein kann, zeigt der Fall des Zwischenlagers für hochradioaktive Abfälle in Brunsbüttel. 2013 hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig einer Anwohnerin Recht gegeben und die Betriebsgenehmigung für die Lagerhalle kassiert. Der Betreiber Vattenfall und die zuständigen Genehmigungsbehörden haben bis heute nicht nachweisen können, dass die Halle gegen Flugzeugabstürze und den Beschuss mit panzerbrechenden Waffen geschützt ist. Seit Jahren betreibt Vattenfall das Zwischenlager ohne Genehmigung und somit illegal. Im Vergleich zu den anderen 15 deutschen Zwischenlagern weist die unsichere Halle in Brunsbüttel sogar die stabilste Bauweise auf – das Brunsbüttel-Urteil taugt somit als Präzedenzfall.
Mit dem aktuellen Entwurf für die geplante 17. Atomgesetz(AtG)-Novelle verhindert das für die nukleare Sicherheit zuständige Bundesumweltministerium eine Wiederholung der für staatliche Behörden und Betreiber gleichermaßen unliebsamen Causa Brunsbüttel. Der Gesetzesentwurf stellt Entscheidungen von Genehmigungsbehörden unter einen sogenannten Funktionsvorbehalt. Das bedeutet, dass eine Atomanlage oder auch ein Atommüll-Transport qua Gesetz als sicher gilt, wenn die zuständige Behörde dies so beurteilt. Gerichten bleibt der Zugang zu Sicherheitsdokumenten über den Schutz der Anlage oder des Transports vor „Störmaßnahmen oder sonstiger Einwirkungen Dritter“ verwehrt; sie sollen ausschließlich auf Basis des Funktionsvorbehalts der Behörden urteilen.
Damit entfällt eine wichtige Kontrollfunktion der Gerichte gegenüber der Exekutive. Anwohner*innen und Umweltverbände müssen in Zukunft darauf vertrauen, dass Behörden in relevanten Sicherheitsfragen immer richtig liegen, denn ihr Klagerecht wird mit Inkrafttreten der 17. AtG-Novelle und der Entmachtung der Gerichte wirkungslos. Der Atomrechtsexperte Dr. Ulrich Wollenteit, der auch die Brunsbüttel-Klage geführt hat, hält die Gesetzesänderung für verfassungswidrig.