Subventionen für Beznau organisieren, oder wie die Atomlobby in der Schweiz funktioniert
Es war einmal die Axpo, der grösste Stromversorger der Schweiz.
Die wollte ihre beiden ältesten Atomreaktoren, die weltweit noch in Betrieb sind, um 10 Jahre länger laufen lassen.
Für die 10 Jahre Betriebsdauer von 2019 bis 2028 hat sie daher dem eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI 2018 ihren Sicherheitsnachweis eingereicht.
Das ENSI meinte: Diesen Sicherheitsnachweis müssen wir zurückweisen, darin fehlen Aussagen und Abklärungen zu einer langen Liste von Forderungen des ENSI.
Die Axpo hat drei Jahre lang nachgebessert, und hat im Frühling 2021 die zweite Version des Sicherheitsnachweises eingereicht. Wohlgemerkt für die Zeit von 2019 bis 2028. Das heisst, Beznau 1 und 2 laufen zur Zeit ohne Sicherheitsnachweis. Was niemand stört.
Dieser zweite Sicherheitsnachweis ist in diesem Frühling und Sommer in Prüfung im ENSI.
Natürlich gibt es auch diesmal wieder einen regen Informationsaustausch zwischen dem ENSI und der Axpo.
Der Axpo dämmert langsam, dass die Nachrüstungen, die vom ENSI verlangt werden, einen rentablen Weiterbetrieb der Reaktoren 1 und 2 verunmöglichen. Ein gefühlter Weltuntergang für die Apxo.
Frage an die Axpo Propogandaabteilung: „Was tun?“
Antwort: „Wir reaktivieren die alte Atomlobby, und führen ein altbewährtes Theaterstücklein auf!“
Akt 1: Die über achtzigjährigen Atomhirsche beklagen die kommende Stromlücke im Winter, und fordern, wir müssten unsere alten AKWs länger laufen lassen.
Akt 2: Die eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom wird eingesetzt. Diese sagt: Wir werden eine Winterstromlücke haben. Die werden wir mit mehr erneuerbarem Strom oder Stromimporten decken müssen. Leider hat die EU das Stromabkommen verweigert, darum müssen wir die alten AKWs 10 Jahre länger laufen lassen.
Besonders schön an dieser Argumentation: Die EU ist schuld!
Akt 3: Das Carnot-Cournot Netzwerk bringt die sonst liberale Basler Handelskammer dazu, dieselben Forderungen wie die ElCom zu stellen, was allgemeines Staunen auslöst.
Anschliessend setzt die Axpo Propogandaabteilung die gröberen Geschütze ein.
Akt 4: Das Bundesamt für Energie (BFE) wird eingesetzt um die AKW-Betreiber zu bitten, ihre AKWs doch bitte 10 Jahre länger laufen zu lassen. Dieser Vorstoss ist inhaltlich komplett sinnfrei, denn das wollen alle AKW-Betreiber explizit schon immer, also wozu soll das BFE von Ihnen dasselbe fordern?
Wenn das BFE dasselbe fordert, gibt es vielleicht Subventionen für den Weiterbetrieb!
Akt 5: Nationalrätin Magdalena Martullo Blocher fordert den Bau eines neuen AKWs, weil wir sonst wegen der kommenden Stromlücke auf den Stand eines Entwicklungslandes oder zurück ins Mittelalter fallen würden.
Oder man könnte die bestehenden AKWs 10 Jahre länger laufen lassen, ABER DAS KOSTE ETWAS!
So, nach diesem Theaterstücklein ist der Tisch gedeckt.
In einigen Wochen wird das ENSI bekanntgeben, es habe den Sicherheitsnachweis für die Reaktoren Beznau 1 und 2 geprüft, und erlaube den Weiterbetrieb nur unter der Voraussetzung, dass die Nachrüstungen gemäss der Liste des ENSI ausgeführt würden.
Die Axpo wird aufheulen: „Herrje! So rentiert das nicht! Die Politik muss uns helfen, sonst sitzen wir bald im Dunkeln!“
Die gut vorbereiteten NationalrätInnen und Ständeräte werden darauf hinweisen, dass sowohl das BFE, als auch die heilige Magdalena gesagt hätten, der Weiterbetrieb der Uralt-AKWs müsse gesichert werden, koste es, was es wolle, denn sonst komme die Stromlücke, und wir würden auf den Stand eines Entwicklungslandes zurückfallen, oder ins Mittelalter.
In einer patriotischen Aufwallung zur Rettung der Eidgenossenschaft wird unser Bundesrat das BFE beauftragen, ein Nothilfeprogramm für die Axpo zu schustern, das alle Nachrüstungen bezahlt, damit die ältesten Atomreaktoren der Welt nochmals 10 Jahre länger in Betrieb bleiben können.
Der Bund bezahlt die Nachrüstungen, die beiden Beznau-Reaktoren laufen weiter, und das geltende Recht wird nicht gebrochen: Das verbietet nur den Neubau von Atomkraftwerken. Und die Sicherheit wird bewahrt: Die Nachrüstungen werden installiert, es zahlt einfach der Bund.
So geht freie Marktwirtschaft in der Schweiz.
Peter Stutz, Geschäftsführer NWA Schweiz